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Hamstern von Toilettenpapier: Ein psychologisches Problem der Käufer?

2.4.2020. Nicht ganz ernstgemeinter Essay von Wolf Stegemann. Ein Blick in die Geschichte, mit was sich die Menschen im Lauf der Jahrhunderte ihren Po abgewischt haben

Das Toilettenpapier scheint der Deutschen liebstes Kind zu sein. Während der derzeitigen Hamsterkäufer wegen der Coronavirus-Pandemie hat sich dies herausgestellt. Die Deutsche Presseagentur und die Frankfurter Rundschau berichteten, dass – der Bevölkerungszahl angeglichen – die Deutschen bislang in Europa das meiste Klopapier zusammengehamstert haben – neben Mehl. Die Franzosen Rotwein und Käse. Von Kondomen war auch die Rede, aber weit abgeschlagen. Die Niederländer hamsterten Käse und Haschisch (da die erlaubten Hasch-Cafés geschlossen sind), die Italiener Grappa und Espresso.

Zeitungspapier in Quadrate geschnitten und an den Nagel gehängt
Was liegt uns Deutschen denn so am Klopapier? Darüber machen sich jetzt professorale Psychologen Gedanken. Darüber später. Vorerst ein Blick in die Nachkriegzeit. Mir, dem Autor dieser Zeilen, fällt dabei ein, dass ich, Jahrgang Ende 1944, meine Kindheit ohne das weiche und gerollte Klopapier verbrachte, sondern mit Zeitungspapier. Unter uns gesagt, das war allerdings nicht der Grund, später Journalist zu werden. Mit Zeitungspapier mussten sich alle befassen, denn das aufgerollte Klopapier gab es damals nicht. Es kam erst in den 1950er-Jahren auf. Ich erinnere mich daran, dass die Zeitung in handgroße Quadrate geschnitten wurde, dann aufeinandergelegt ein Loch in eine Ecke gebohrt und eine Schnur durchgezogen wurde, an der das Ganze dann in der Toilette hing. Toilette sagte man damals nicht so oft. Gebräuchlich für das, was wir hatten, war der Name Abort, der von allen Hausbewohnern benutzt wurde. Und nach dem Krieg gab es viele, die in einem Haus wohnten. Und dieser hölzerne Abort gab es auf einer Zwischenetage im Treppenhaus, wo er für alle Hausbewohner zugänglich war. Wie gesagt, das Klopapier hing dann an dem Nagel handgriffig neben dem hölzernen Plumpsklo, ein anderes Wort für die Art von Abort. Ein Krug Wasser stand zum Spülen daneben auf dem Boden. Plumpsklo hießen diese Aborte im Volksmund deshalb, weil es vom hölzernen Sitz direkt hinterplumpste in die sogenannte Abortgrube, die, wenn sie voll war, von städtischen Abortausleerern mit dem städtischen Abortauto sowie Schläuchen und Pumpe geleert wurde. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Das Haus, von dem ich rede, stand nicht irgendwo auf dem Land, sondern in der Stadt. So wie ich meine Kindheit abortsbezogen erlebte, verbrachten sie viele, wie der heutige Erinnerungsaustausch unter Gleichaltrigen zeigt.

Chinesen hatten parfümiertes Klopapier, Europäer Lumpen und Moos
Mit einem Blatt Papier seinen Toilettengang zu beenden, kannten schon die alten Chinesen im frühen 14. Jahrhundert. In der heutigen Provinz Zhejiang wurden jährlich eigens 10 Millionen Packungen mit je 1000 bis 10.000 Blatt Toilettenpapier produziert. Der kaiserliche Hof in Nanjing verbrauchte im Jahr 1393 etwa 720.000 Blatt mit einer Größe von 2 × 3 Fuß. Kaiser Hongwu und seine Familie verbrauchten in jenem Jahr 15.000 Blatt einer besonders weichen und parfümierten Toilettenpapiersorte. – Wie es in China in den 1950er-Jahren war, ist hier nichtbekannt. In Deutschland kam das Toilettenpapier als Rolle auf.

Braucht man denn Toilettenpapier wie Essen und Trinken?
Zurück zur heute anstehenden Frage, warum so viel Klopapier gehamstert wird, weltweit sogar, dass es in etlichen Supermärkten gar keins mehr gibt. Die Angst vor dem Virus treibt viele Menschen dazu, Lebensmittel und Hygieneartikel zu horten. Doch warum Übermengen an Klopapier? Das zählt schließlich nicht zu den Produkten, die zum Überleben notwendig sind. Und dünnen Stuhlgang bewirkt das Virus auch nicht. Ratlosigkeit, Achselzucken, Kopfschütteln. Offensichtlich wird das Klopapier in einer solchen Pandemie, wie wir sie haben, zu den täglichen Bedürfnissen gerechnet wie Essen und Trinken. Wirklich? Mancherorts wird in den Geschäften der Verkauf von Toilettenpapier beschränkt. Wie in DDR-Zeiten, meinte ein Kunde in der Schlange an der Kasse. Und es gibt auch große Auseinandersetzungen um den derzeitigen Kauf von Toilettenpapier, wie Zeitungen berichten. Eine Presseagentur meldete, dass die Familie Janetzki aus Toowoomba in Australien 48 Rollen Toilettenpapier bestellt hatte. Statt der 48 Rollen kamen aber aus Versehen 48 Kartons zu je 48 Rollen, also 2304 Rollen. Hochgerechnet hat die Familie Janetzky in Toowoomba damit für die nächsten 12 Jahre ausgesorgt. Übrigens ist das Internet voll von Erfahrungen, Ratschlägen und spaßigen Anmerkungen über das Toilettenpapier. Auf Ebay bieten „Spaßvögel“ einzelne Rollen für mehr als 350 Euro oder benutzte Blätter als nachhaltige Mehrweg-Variante an. – Iiiihhhh.

Im Geschenk-Weinpaket auch eine Rolle Toilettenpapier
Da fragte doch jemand in einem Dorstener Geschäft, ob es denn noch Toilettenpapier gebe. Der Verkäufer schüttelte verneinend der Kopf und meinte, dass er es nicht verstünde, dass die Leute für ihre Toilettengänge nicht auch eine Küchenrolle verwende würden, wenn sie keine Toilettenpapier-Rolle hötten. Küchenrollen gebe es ja noch. Die Verbraucherberatung warnt davor. Tempotaschentücher und Küchenrollen würden sich nichtauflösen und die Rohre verstopfen. Ein Geschäft, das ansonsten nur Geschenkpakete mit verschiedenen Weinsorten verkauft, erweiterte seine Weinpakete mit einem Paket Nudeln, dazugehörender Soße und – natürlich mit einer Rolle Toilettenpapier. Eine solche gibt ein Metzger – nicht in Dorsten – gratis den Kunden mit, wenn sie bei ihm Fleisch oder Wurst kaufen.

„Angst vor Einschränkungen“ – Auch ein psychologisches Ding?
Psychologen haben auch Erklärungen. Der Auslöser für den Impuls für Hamsterkäufe läge vor allem in der Angst vor möglichen Einschränkungen. Durch Hamsterkäufe würde dann versucht, die Angst zu kompensieren. Hamsterkäufe, auch wenn es Toilettenpapier ist, seien aber immer noch besser als Panikaktionen oder kopfloses Handeln. Psychologen erklären sich das Hamstern von Klopapier unter anderem auch mit der Spieltheorie: Kauft jeder nur so viel Toilettenpapier, wie er benötigt, gäbe es keinen Mangel. Beginnen einige mit Hamsterkäufen, ist die beste Strategie, diesem Beispiel zu folgen, um sicherzustellen, dass das Klopapier im eigenen Badezimmer nicht ausgeht. Ein anderer Ansatz der Experten: Toilettenpapier sei durch die Bilder in sozialen Medien in den Köpfen der Menschen zu einem „Symbol für Sicherheit“ geworden. Indem man selbst auch welches kaufe, tue man bewusst etwas. Schließlich sei man sonst zum Nichtstun (beziehungsweise Händewaschen und warten) verdammt. Andere wiederum sehen im Hamstern von Toilettenpapier einerseits, dem inneren Drang nachzugeben und andererseits ihm preisgünstig nachgeben zu können – praktisch zum Nulltarif. Wie auch immer. Bei mir bleibt neben Schmunzeln nur das ratlose Kopfschütteln. Grund genug, einen Blick in die Geschichte des Klopapiers zu wagen.

Toilettenpapier in Rollen gab es erstmals im 19. Jh. in England
In Europa des Mittelalters wurden Lumpen aber auch Moos, Blätter, Heu und Stroh zum Po-Abwischen benutzt. Ab dem 16. Jahrhundert auch Abfall- und minderwertiges Papier. Die Nutzung von Papier stieg mit der Verbreitung von Zeitungen und dem Aufkommen der industriellen Papierherstellung. Mit der Verbreitung des Wasserklosetts am Ende des 19. Jahrhunderts wurde zunächst in England spezielles Papier benötigt, das nicht zur Verstopfung der Abwasserleitungen führte. Das perforierte Toilettenpapier auf Rollen, wie wir es heute kennen, gab es im späten 19. Jahrhundert erstmals in England. Das Fachblatt „Papier-Zeitung“ erwähnte 1879 in einem Bericht über gelochtes Rollenpapier für Verpackungszwecke, dass es vielfach auch als „Closetpapier“ angeboten wurde.
In Europa wurden in Mangelzeiten der 1920er-Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs und in den ersten Nachkriegsjahren Zeitungen in kleine Blätter zerschnitten, wie eingangs beschrieben, an einer Ecke gelocht und mit einem Bindfaden an einem Nagel aufgehängt oder auf einen Haken gespießt. Als Alternative gab es nach oben offene Holzkästchen, die an der Wand angebracht wurden und mit dem passend geschnittenen Zeitungspapier gefüllt wurden.

Verbrauch in Deutschland: 2016 fast drei Milliarden Rollen
In Deutschland werden laut einer Schätzung von 2017 im Jahr 2,5 Milliarden Rollen Toilettenpapier verbraucht, während ein Bericht von 2016 fast drei Milliarden Rollen nennt, was 18 Kilogramm je Bundesbürger im Jahr entspricht. Innerhalb eines Jahrzehnts sei der Bedarf von 1 auf 1,5 Millionen Tonnen Toilettenpapier in Deutschland gestiegen. In Deutschland gibt es über 80 Sorten (Stand 2005). Und wenn wir hier schon so viel aus der Geschichte des Toilettenpapiers erfahren, dann zum Schluss auch etwas darüber, wie die Deutschen es in ihrer intimen Verrichtung verwenden, ob sitzend oder stehend. Darüber gibt es eine repräsentative Untersuchung aus dem Jahr 2012. Nachzulesen in Wikipedia. Demnach falten 66,8 Prozent der Deutschen das Papier vor Gebrauch, während es 7,4 Prozent knüllen und um die Hand wickelt und 4,7 Prozent in Einzelblättern aufeinandergelegt stückeln. Das Handwickeln ist bei Frauen mit einem Anteil von 10 Prozent überdurchschnittlich häufig, insbesondere bei jüngeren, während mehr Männer als Frauen falten und knüllen. Tendenziell wird in Deutschland gefaltet und in Südeuropa geknüllt. 2005 gab ein Marktforschungsunternehmen sogar an, dass 90 Prozent der Deutschen falten würden und gerade für sie die Reißfestigkeit des Papiers wichtig sei.

Wie reagierte Max Reger auf Kritik, als er auf der Toilette saß?
Die Zeit, als man mit Zeitungspapier den Hintern abwischte, ist vorbei, auch wenn man manchmal Lust hat, es dem berühmten Komponisten Max Reger (1873 bis 1916) gleichzutun, von dem die wohl eine der bekanntesten Kritiker-Anekdoten stammt: Ein Kritiker verriss in der Zeitung eines von Regers Werken in Grund und Boden. Darauf schrieb ihm der Komponist einen kurzen Brief: „Sehr geehrter Herr! Ich sitze hier im kleinsten Raum meines Hauses und lese Ihre Kritik. Noch habe ich sie vor mir. Bald werde ich sie hinter mir haben. Hochachtungsvoll Max Reger.“

 

Nch viel mehr spannende Reportagen von heute und gestern gibt auf der Seite von Wolf Stegemann http://www.dorsten-transparent.de zu lesen

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