Die Junggesellen jagden in Besten wieder Würste

29.1.2023 Besten (geg). Wenn Rico Isselhorst auf seiner Quetschkommode das „Muss i denn zum Städele hinaus", spielt, wissen die Wurstjäger in Besten am Samstagmorgen, es geht weiter und „Korn ist vorn". Das bedeutet, dass die Männer mit den Kornflaschen vorne weg gehen.
Für die Junggesellen in Besten ist das in jedem Jahr das Leben einer 118 Jahre alten und beliebten Tradition. Darüber freuen sich auch Anke und Herbert Isselhorst. „Ich bin damit aufgewachsen und kenne das gar nicht anders“, sagt sie und Ehemann Herbert fügt an: “Ich bin stolz darauf, dass die Tradition immernoch gelebt und auch weitergereicht wird“. Dass sie morgens um neun einen Korn trinken „müssen“, gehört ebenfalls zur Tradition die sie mit Fassung tragen.

Pünktlich um sieben Uhr- so die offizielle Version, real war es allerdings 7.45 Uhr - trafen sich die Männer am Samstagmorgen, um in zwei Gruppen durch Besten zumarschieren. Das „Sonderkommando", ausstaffiert mit Warnwesten weil sie auch Hauptstraßen passierten, besucht dabei die Höfe und Häuser an der Ortsgrenze, die anderen machten den Rest. Neuling Frederik Pannenbäcker verspätete sich gleich beim ersten Mal, das Kartoffel schälen am Vorabend hatte immerhin bis 2.30 Uhr gedauert. Manche der jungen Männer sind gar nicht erst schlafen gegangen, erzählten einige. 17 Mädchen aus Besten waren in diesem Jahr beim Kartoffel schälen dabei. Zoe, Emma, Jolina und Pia freuen sich in jedem Jahr darauf, wie sie berichten:"Wir sehen uns seit der Schulzeit nicht mehr so oft, das ist dann eine gute Gelegenheit".
36 Liter Korn hat der Bestener Junggesellenverein für die Tour eingekauft. Wobei die jungen Männer betonen, dass die Neulinge, die ab 16 Jahren mitlaufen dürfen, Welpenschutz besitzen. Will heißen: „Die dürfen höchstens mal am Korn riechen“, erzählt Lucas.

Eine Dame die sich besonders auf den Besuch freut. ist die 89-jährige Wilfriede Isselhorst. Ihr zur Ehren spielt Enkel Rico .den Schneewalzer auf dem Akkordeon. Handzahm zeigt sich dort die „wilde Horde“, schenkt der Seniorin ein Lächeln und einige nette Worte. Dafür gibt es von ihr natürlich auch Würste - auf den Schnaps aber verzichtet sie gern.
Was ist das? Beim Verlassen des Hauses stellen David und Phil fest: „Die Schnapsgriese, wo ist die Schnapsgriese, ich hab die doch vor die Tür gestellt, die ist weg“, so etwas hilflos und dem Spott der älteren Jungs ausgesetzt. Denn das Auslösen bei demjenigen, der sie entwendet hat kostet natürlich. Deswegen darf man sie natürlich nicht aus den Augen lassen. Aber die beiden kamen noch einmal mit einem blauen Auge davon und durften die Griese nach einigen Schreckminuten wieder in Empfang nehmen.
Ein Haus weiter steht der neunjährige Phil Nuycken. Der findet die Aktion ganz lustig, aber: “Die sind ganz schön wischi- waschi“, sagt er lachend mit der entsprechenden Handbewegung.

Seine Abschiedstour erlebt an diesem Tag Mark Bartelt. Im Jahr 2019 zog der gebürtige Baden-Würtemberger der Liebe wegen nach Gahlen-Besten und zeigt sich begeistert vom Wurstjagen. Die Tradition habe ihn ins Gemeindeleben integriert, berichtet er freudig und bedauert: “Durch meine Heirat ist das heute das letzte Mal“. Eigentlich hätte er gar nicht mehr mitlaufen dürfen, aber der Junggesellenverein habe hier mal eine Ausnahme gemacht.
Bei der Familie Stuhldreier am Kuhweg gibt es in diesem Jahr das Frühstück. Am hübsch gedeckten Tisch greifen die Jungs herzhaft zu.
Und dann hörte man es auch schon wieder: „Muss i denn zum Städele hinaus". Und:“Korn ist vorn“, soweit die Füße tragen
Am Abend traf sich Jung und Alt im Saal Schult, um die erbeuteten Würste zu verspeisen und gemeinsam eine Party zu feiern. Um Mitternacht wurden tolle Preise im Gesamtwert von 500 Euro unter den Anwesenden verlost.
Am Sonntag präsentierten sich die Herren dann fein herausgeputzt, denn es gibt dort noch die Tradition des „Mädchen holens". Per Los werden die jungen Herren und Damen dabei zusammengeführt, wobei die teilnehmenden Mädchen bis zum Moment, in dem es an der Haustür klingelt nicht wissen, wer davorsteht. Nach Kaffee und Kuchen, werden die jungen Damen dann von dem entsprechenden Herrn am Abend zum Essen ausgeführt.