+49 2853 9120965 +4915753577292 Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

3

Mahnende Worte von Präsident Anderras Appenzeller zum Volkstrauertag 

17.11.2025 Weselerwald (pd).Am Sonntag veranstalteten alle Schützenverein im Ort Gedenkfeiern an ihren Ehrenmalen. Für alle steht heute der Schützenverein Weselerwald.

Beteiligt waren hier der Schützenverein Weselerwald und Umgebung e.V., der Heimatverein Weselerwald und Umgebung e.V., der Bürgermeister der Gemeinde Schermbeck Mike Rexforth und die musikalische Begleitung Sarah Schwarz auf ihrer Klarinette.
Zunächst richtete der Bürgermeister einige Worte an die anwesende Gesellschaft, in denen er den Zusammenhalt und den ehrenamtlichen Einsatz der Vereine in der Region Respekt zollte, bevor er das Wort dem Präsidenten des Schützenvereins Weselerwald und Umgebung e. V. Andreas Appenzeller überließ, der vor seinem Amtsrücktritt im nächsten Januar seine letzte Rede in diesem ehrenvollen Rahmen abhalten durfte.

Die Rede Appenzellers im Original:

Wir haben uns heute hier am Volkstrauertag am Ehrenmal zusammengefunden, um der alljährlichen Tradition zu folgen, der in den beiden Weltkriegen gefallenen Soldaten und Zivilbürgern unserer Region gemeinsam zu gedenken, um sie zu trauern und ihrer zu erinnern.

In der Vorbereitung auf die heutige Rede bin ich im Netz auf einen Namen namens Nicholas Winton gestoßen. Ein Name, der vermutlich keinem etwas sagt, aber ein beeindruckender Mann mit Geschichte.
Nicholas Winton wurde am 19. Mai 1909 in London geboren. Seine Eltern waren jüdischer Herkunft, aber zum Christentum übergetreten. Nach der Schule arbeitete Winton als Bankangestellter und Börsenmakler. Er war ein ganz gewöhnlicher junger Mann – bis sich im Jahr 1938 sein Leben plötzlich veränderte.

Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs reiste Winton nach Prag in der damaligen Tschechoslowakei. Dort sah er mit eigenen Augen, wie tausende jüdische Familien nach dem Einmarsch der Nazis verzweifelt versuchten, ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Winton war tief betroffen und beschloss, zu helfen.

In einem kleinen Hotelzimmer richtete er ein provisorisches Büro ein. Mit Hilfe von Freiwilligen begann er, Listen von gefährdeten Kindern zu erstellen. Er schrieb an die britische Regierung, um Visa zu beantragen, und suchte Pflegefamilien in England, die bereit waren, die Kinder aufzunehmen.

Die Organisation dieser Rettungsaktion war unglaublich schwierig: Jedes Kind brauchte Papiere, Geld für die Reise und einen garantierten Platz in einer Familie. Trotzdem gelang es Winton und seinem Team, innerhalb weniger Monate acht Sonderzüge zu organisieren. Zwischen März und August 1939 konnten so 669 jüdische Kinder aus der Tschechoslowakei über Deutschland und die Niederlande nach London gebracht werden – nur wenige Wochen bevor der Krieg begann.

Der letzte geplante Zug mit 250 weiteren Kindern musste am 1. September 1939 abgesagt werden – genau an dem Tag, an dem Deutschland Polen überfiel. Diese Kinder wurden nie wieder gesehen.

Viele Jahre lang sprach Nicholas Winton nie über seine Rettungsaktion. Erst 1988, fast 50 Jahre später, fand seine Frau Grete in einer alten Kiste auf dem Dachboden Dokumente, Fotos und Listen der 669 Kinder, die er 1939 gerettet hatte. Sie gab diese Unterlagen an eine Journalistin weiter – und so wurde seine Geschichte bekannt.

Daraufhin wurde Winton in die britische Fernsehsendung „That's Life!“ eingeladen, eine populäre BBC-TV Show. In dieser Sendung kam es zu einem der berührendsten TV-Momente überhaupt.

Zuerst erzählte die Moderatorin dem Publikum von dem unbekannten Retter Nicholas Winton. Winton saß dabei im Studio, ohne zu wissen, was gleich passieren würde. Dann bat die Moderatorin alle Zuschauer im Saal, aufzustehen, wenn sie zu den Kindern gehörten, die Winton damals gerettet hatte – oder deren Nachkommen sie waren.

Zu seiner völligen Überraschung standen fast alle Menschen im Saal auf. Es waren viele der Kinder, die er 1939 mit den Zügen nach England gebracht hatte – inzwischen erwachsen, mit eigenen Familien. Winton war sichtlich gerührt und kämpfte mit den Tränen. Dieses bewegende Wiedersehen machte ihn auf einen Schlag weltweit bekannt.

Für seine Taten wurde Nicholas Winton später von Königin Elizabeth II. zum Ritter geschlagen und erhielt zahlreiche Ehrungen und Denkmäler. Er starb im Jahr 2015, im Alter von 106 Jahren.

2

Heute gilt er als Symbol für Menschlichkeit, Mut und Zivilcourage – ein Mann, der gezeigt hat, dass ein einzelner Mensch die Welt für viele Menschen und Generationen verändern kann. Für Familien, die es ohne ihn nicht gegeben hätte.

Des Weiteren habe ich mir natürlich im Vorfeld auch Gedanken gemacht, wie ich meine letzte Rede hier am Ehrenmal zu Ende bringe.
Die Kranzniederlegungen am Volkstrauertag und zu unserem Schützenfest hier am Ehrenmal waren für mich immer ganz besondere Momente.

Meine Absicht war es jedes Mal, mit meinen eigenen einfachen Worten, anhand aktueller Geschehnisse aus unserem Leben Positives, aber auch Negatives aufzuzeigen. Ich bin dabei bewusst nie zu tief in die Geschichte eingetaucht oder in der Historie unseres Landes versunken.
Mir haben vielmehr einzelne Personen oder Gruppen mit ihrem Handeln imponiert, über die ich gerne berichtet habe.
Ich hoffe, ich konnte in meinen insgesamt 24 Reden den ein oder anderen Zuhörer zum Nachdenken animieren. Aber auch zu mehr Menschlichkeit, Zivilcourage und gesellschaftlicher Anteilnahme ermutigen.

Unser Schützenverein sollte politisch stets neutral sein. Danach habe ich meine Worte immer gewählt. Allerdings heißt das nicht, dass ich nicht nach wie vor klar gegen Rechtspopulisten sprechen sollte. Alle rechts- und linksradikalen Aktivitäten sind ebenso zu verachten, wie jegliche Art von Gewalt, Terror oder religiösen Anfeindungen.
Lasst uns in Zukunft gemeinsam daran arbeiten, dass die Gesellschaft um uns herum nicht eskaliert; dass sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Jeder mit seinen Möglichkeiten, jeder mit seinen Mitteln.

Wir wollen jetzt in stillem Gedenken an unsere gefallenen Vorfahren und aller in Kriegen zu Tode gekommenen Menschen, diesen Kranz an unserem Ehrenmal niederlegen.
Wir werden euch nicht vergessen und in Ehren halten.

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.