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Maria 2.0 – Ein Aufbruch in der Kirche 

10.5.2019 Schermbeck. Persönliche Gedanken zu einem brennenden Thema von Pfarrer Klaus Honermann
1. Immer, wenn sich etwas bewegen soll, müssen einige anfangen. Nur abwarten, dass „die da oben“ (ob in Gesellschaft, Kirche oder sonst wo) etwas ändern, bringt wenig Veränderung. Nicht weil „die da oben“ einfach nur stur wären. Aber sie sind eben sehr, manchmal zu sehr, vom System gefangen und haben oft Angst vor Präzedenzfällen.

2. Ich finde die Aktion Maria 2.0 grundsätzlich gut, weil Menschen deutlich machen, dass ihnen die Kirche wichtig ist, und was ihnen an der Kirche wichtig ist. Menschen, und eben gerade auch Frauen, sind in der Kirche keine bloßen Empfänger von Botschaften, keine Objekte von kirchenamtlicher Verkündigung, sondern als Christinnen haben sie in der Taufe den Heiligen Geist empfangen und sind somit Subjekt von Kirche.

3. Missbrauchsskandal und Vertuschung, Pflichtzölibat, die Rolle der Frau in der Kirche und mögliches Priestertum der Frau, die Weise, wie Hierarchie (wörtlich „Heilige Ordnung“) gelebt wird, und zahlreiche und zunehmende Kirchenaustritte sind brennende Themen, in denen es um die Zukunft der Kirche geht. Es geht also nicht nur um den Missbrauchsskandal, sondern um die Zukunft unserer Kirche.

4. So verständlich ich einen Kirchenstreik von Frauen für den Zeitraum einer Woche finde, wie sie ihn Münsteraner Frauen angezettelt haben, so finde ich die Form, welche unsere kfd gefunden hat, für unsere Pfarrei sehr angemessen. Und dies aus zwei Gründen: zum einen, weil dies das seit Jahren angestrebte Ökumenische Kirchenfest nicht torpediert, und zum anderen weil unsere Frauen den Ort dafür gewählt haben, an dem sie sonst auch ihre Fragen, Gedanken und Anliegen vor Gott und in die Welt tragen: die Gemeinschaftsmesse.

5. Ich kann mir eine Form vorstellen, wie wir bewusst machen, was uns fehlt, wenn uns die Frauen in der Kirche fehlen: an einem Sonntag – anstelle der Predigt – ziehen die Frauen schweigend aus der Kirche aus und kommen an der anderen Seite wieder herein.

6. Wir können als Pfarrei St. Ludgerus unserer kfd, besonders dem Team, zutiefst dankbar sein, weil sie seit vielen Jahren das Leben unserer Gemeinde mit Impulsen, mit Leben voranbringt.

7. Zum Thema „Sexuelle Gewalt“ hier nur in Kürze: Es ist ein Verbrechen. Wenn Menschen der Kirche sie begehen, betreiben sie zusätzlich noch eine Art „Gottesvergiftung“ in der Seele der Opfer. Diese Verbrechen dürfen in keinster Weise vertuscht werden. Die Opfer stehen Vordergrund. Unser Bistum hat weitreichende Maßnahmen ergriffen. Papst Franziskus hat für die ganze Kirche die Meldepflicht erlassen. Die Mitteilung an staatliche Strafverfolgung ist in Deutschland Pflicht. In Ländern, in denen keine Rechtstaatlichkeit herrscht und u.U. die Todesstrafe droht, ist dies so leider nicht möglich.

8. Zum Thema Pflichtzölibat und „verheiratete Priester“ können wir feststellen: es gibt in der katholischen Kirche schon verheiratete Priester. Es gibt die Kirchen, die mit „Rom“ vereint sind, aber dem orthodoxen Ritus angehören. Also ist es grundsätzlich ja schon möglich. Die vorgegebe Ordnung, den Zölibat zu leben, der „um des Himmelreiches willen“ wertzuschätzen ist, aber als Pflicht nicht selten in eine Überforderung und Verheimlichung von Beziehungen führt mit all dem Leid, was damit verursacht wird, sollte verändert werden. Dass mit der Abschaffung des Pflichtzölibates alle Probleme vom Tisch wären, ist eine Illusion. Auch gescheiterte Ehen von Pfarrern sind keine Kleinigkeit, was die Glaubwürdigkeit angeht.

9. Macht und Amt. Machtmissbrauch gibt es nicht nur in sexueller Hinsicht. Was Unterdrückung angeht, so hat Jesus sehr deutlich Klartext gesprochen: „Bei euch aber soll es nicht so sein“ (Mk 10,43) und hat das Wichtignehmen der eigenen Person und das Gieren nach öffentlicher Anerkennung bei den Pharisäern sehr deutlich kritisiert (Mt 23).
Macht ist eine Grundversuchung des Menschen. Machtkontrolle ist eine dringende Aufgabe in der Kirche, um dem Evangelium Raum zu geben. Macht loszulassen, ist kein Verlust, sondern Befreiung für den Amtsinhaber und diejenigen, die mit ihm zu tun haben. Nur so kann die „Vollmacht Jesu“ unter uns mehr Raum bekommen.

10. Maria hatte kein Amt inne. Aber mehr als alle Amtsinhaber (Apostel) hat sie den Menschen das Kostbarste gegeben, was wir zu geben haben: Jesus Christus.
Das ist im Grunde allen Getauften als Möglichkeit eröffnet: Im sog. „Königlichen Priestertum aller Getauften“ den Menschen Christus schenken.
Von ihr sollten alle männlichen Amtsinhaber lernen, das Amt auszuüben: nicht als Machtgebrauch, sondern als geschenktes Leben. Papst Franziskus hat darauf hingewiesen, wie notwendig es in der Kirche und für die Kirche ist, hinzuhören auf die Stimme der anderen. Bei der Wahrheitsfindung in der Kirche gibt es – nach Lehre der Kirche – nicht nur das Lehramt von Papst und Bischöfen, sondern auch den Glaubenssinn des Volkes Gottes.
„Das Volk Gottes hat einen besonderen Spürsinn in Glaubensfragen“ (Papst Franziskus). Wo neue Probleme und neue Ideen auftauchen, gibt es eine eigene Kompetenz der Gläubigen zu beurteilen, was der Wahrheit des Evangeliums entspricht und was nicht. Diese Fähigkeit ist eine Gabe des Heiligen Geistes, der die Gläubigen in die ganze Wahrheit einführt. (Internationale Theologische Kommission)

11. Frauen sind oft hervorragende Seelsorgerinnen. Manchmal bessere Seelsorger-innen als Männer. Dies muss nicht zwangsläufig dazu führen, dass sie ein Amt innehaben. Aber es spricht m.E. auch nichts dagegen. In der Regel wird gegen das Priestertum der Frau angeführt, dass die Apostel, welche die 12 Stämme Israels repräsentieren, eben Männer waren und keine Frauen. Einmal abgesehen davon, dass zur Zeit Jesu nur Männer zählten (ganz buchstäblich wurden nur sie gezählt) und diese kulturelle Bedingung nicht maßgebend für alle Zeiten sein kann, so hat Jesus die Apostel nicht in Sinne einer rechtlichen Struktur um sich gesammelt, sondern als gemeinschaftliche Keimzelle für eine Vergegenwärtigung der Herrschaft Gottes.
Folgendes bleibt im biblischenen Befund festzustellen: die „Apostolin der Apostel“ (wie die Kirchenväter sie nannten), war Maria von Magdala. Zweifelsohne eine Frau. Die reiche Purpurhändlerin Lydia, die von Paulus den Glauben an Christus bekam, stand ihrer kleinen Hausgemeinde vor, als Paulus weiterzog. Das sind gewiss keine rechtlichen Strukturen in der Urkirche, aber doch bezeichnende Hinweise.
In den ersten Jahrhunderten gab es in der Kirche sog. Patriarchate, Kirchen-provinzen mit einem Patriarchen an der Spitze. Der Bischof von Rom war einer von ihnen, dem erst später eine rechtliche Vorrangstellung zugewachsen war. Könnten wir uns nicht im Sinne eines solchen Modells vorstellen, dass das Priestertum der Frau nicht gleich für die ganze römisch-katholische Kirche festgelegt wird, sondern erst einmal da, wo es – wie z.B. in Mitteleuropa und Amerika – kulturell akzeptiert wird, um dann in einem Prozess diese Entwicklung auszubreiten? Muss etwas, was nicht zum unveränderbaren Glaubensinhalt gehört, immer für die ganze Kirche festgelegt werden? Natürlich können solch grundsätzliche Strukturänderungen
nur durch ein KONZIL festgelegt werden. Aber dafür können wir ja schon mal beten.

12. Maria 2.o – Neuaufbruch in der Kirche. Ich bin dabei.

Klaus Honermann