In Besten gings am vergangenen Wochenende wieder um die Wurst
11.2.2025 Besten (geg). Für alle Nichtschermbecker ist die „Wurstjagd“, die am Wochenende in Gahlen-Besten stattfand, sicherlich eine kuriose Angelegenheit. Für die beiden Gahlener Junggesellenvereine ist es eine beliebte und mehr als 100jährige Tradition.
Schon damals zogen die Junggesellen im Februar, wenn auf den Höfen nicht so viel zu tun war, durch die Bauernschaft, kletterten über Hecken und Zäune und überwanden auch die tiefsten Gräben, um Würste für das traditionelle Essen zu erbetteln. Manchmal wurde bei dieser fröhlichen Wurstjagd und dem anschließenden Fest auch ein zartes Band der Liebe geknüpft.
Der ehemalige Vorsitzende Rico Isselhorst, der in diesem Jahr 30 Jahre alt wird und zudem heiratet, hat aus seiner Vorstandszeit eine Kiste mit mehren Ordnern, die einen Blick in die Vergangenheit gewähren. Allerdings stammt das vorhandene älteste Dokument aus dem Jahr 1948, was Rico Isselhorst und Patrick Jansen vermuten lässt, dass im Krieg einiges verloren gegangen ist. In den Nachkriegsjahren veranstaltete der Junggesellenverein Gahlen-Besten-Östrich, wie die Gemeinschaft hieß, ein Sommerfest und die Jugend tanzte gemeinsam in den Mai. Männer von außerhalb, die ein Mädel aus Besten heiraten wollten, mussten beim JGV einen Jagdschein beantragen, sprich für den „Raub“ bezahlen, meist in Bier. Diesen Jagdschein gibt es heute nicht mehr, wohl aber das traditionelle Buxe holen, wenn eine junge Dame unter 30 geheiratet wird. Der Bräutigam übergibt dabei eine Hose, gefüllt mit Barem. Damit wird am 26.12. eine Abschiedsparty gefeiert. Eine Tradition die geblieben ist, sind auch die Neujahrswünsche die von den jungen Menschen am 1. Januar von Haus zu Haus getragen werden, oder das Osterfeuer.
Die Jahreshauptversammlung des Vereins wurde meist in einer Gahlener Gaststätte abgehalten. In einem Protokoll aus dem Jahr 1995 findet man eine Gaststätte „Müller-Lüdenscheid-Pub“ vermerkt. „Keine Ahnung wo das gewesen ist“, so Rico lachend.
Aus dem Jahr 1948 stammt ein Erlass von dem damaligen Amtsdirektor in Hünxe (für die Zugezogenen Gahlen gehörte damals zum Amt Hünxe), der auf die zunehmende Verwahrlosung von jungen Menschen hinweist, die insbesondere auf Tanzlustbarkeitsveranstaltungen stattfinden. Die Veranstalter wurden in dem Erlass aufgefordert mit scharfen Maßnahmen dagegen vorzugehen. Der Lustbarkeitserlaubsnisschein kostete im Jahr 1949 fünf DM, und ein Vergnügungssteuerfestsetzungsbescheid lautet auf 24 DM. Der Sperrstundenaufhebungsbescheid war ebenfalls kostenpflichtig und die GEMA kassierte im Jahr 1951 bereits 67,80 DM für die Wurstjagenparty.
Aufgrund von ausufernden „Rangeleien“ beim Tanz in den Mai im Jahr 1986 beschloss die Versammlung im Jahr 1987 aus den eigenen Reihen einen Ordnungsdienst von 12 Mann einzusetzen, das war nachzulesen. Rico Isselhorst und Patrick Jansen lachend: „Verwahrlosung in den 50er Jahren und Prügeleien in den 90er Jahren, das gibt es bei uns heute nicht.“
Fazit der kurzen Durchsicht: Der Stoff der sich in den Ordner findet, könnte locker ein Buch füllen.
Einiges hat sich im Laufe der Jahre verändert, einige gemeinsame Festivitäten gibt es nicht mehr. Auf ihre Traditionen aber, sind die jungen Menschen in Besten stolz und leben sie mit Herzblut.
Moritz zum Beispiel war in diesem Jahr bereits zum achten Mal beim Wurstjagen dabei. „Ich freue mich auf das Wochenende, weil man dann alle aus dem Dorf wiedersieht, das Schönste ist der Zusammenhalt untereinander“, erzählt er und Dennis, der seit sechs Jahren mitläuft, ergänzt: „Man ist das ganze Wochenende zusammen, knüpft auch mal Kontakte“. Dass am Samstagabend auch mit den Älteren gefeiert wird, ist eine schöne Tradition.
Die Tradition in Besten unterscheidet sich allerdings etwas von der in den anderen Ortsteilen. Denn wer in Besten die Kartoffeln für die Wurst schält, wird am Sonntag verwöhnt. So trafen sich am Freitagabend zum Auftakt knapp 30 Damen im Saal Schult, um einen Zentner Kartoffeln zu schälen. Diese wurden am Samstag für das Essen verarbeitet.
Pünktlich um sieben Uhr trafen sich die Männer am Samstagmorgen, um in zwei Gruppen auf die Jagd zu gehen. Und das sogar mit musikalischer Begleitung, denn Eric Sondermann und Rico Isselhorst spielten unterwegs Akkordeon.
Für Rico Isselhorst und Mark Hülsemann war es die letzte Wurstjagd, denn mit 30 Jahren ist Schluss. Ein weiterer Grund, nicht mehr mitlaufen zu „dürfen“, ist die Hochzeit. So wie bei Luca Willem, der nächstes Jahr heiratet. Allerdings gibt es alle fünf Jahre eine sogenannte Veteranentour, bei der auch verheiratete Männer mitlaufen dürfen.
Das Eintrittsalter in den Junggesellenverein ist 16 Jahre. Schnaps trinken dürfen sie bei der Wurstjagd aber noch nicht. Denn es ist Brauch, dass für die Wurstgabe Korn ausgeschenkt wird. Und natürlich trinken die Burschen jedes Mal mit. Aber die Neuen dürfen höchstens am Korn riechen. Denn: "Schnaps gibt es bei uns erst ab 18.“ Das nehme man sehr ernst, wird versichert.
Der Rundgang durch das Dorf ist lang. Damit die Burschen zwischendurch nicht verhungern oder die gesammelten Würste essen müssen, freuen sich einige Familien in Besten, die Jäger zu bewirten.
Am Abend wurde im Saal Schult traditionell das Wurstjagdfest gefeiert und die erlegten Würste mit Sauerkraut und Kartoffelbrei verzehrt. Am Sonntag trafen sich die Junggesellen trotz der anstrengenden Tour und der kurzen Nacht frisch und fröhlich um 12.30 Uhr wieder in der Gaststätte Schult, um per Los zu ermitteln, wer mit welcher Junggesellin zum Kaffee erscheint. Dafür schmeißen sich auch die Herren in Schale. Den gemütlichen Ausklang des Wochenendes erlebten alle gemeinsam am Sonntagabend bei einem gemütlichen Abendessen, ebenfalls in der Gaststätte Schult. Natürlich wurden die verschiedenen schrägen Erlebnisse des Wochenendes noch einmal unter großem Gelächter diskutiert.