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Waldemar, erzähl doch mal......

24.1.2018 Schermbeck. „Ich weiß noch genau wann ich meinen Hund das letzte Mal gestreichelt habe“, sagt Waldemar Derwing. Das war am 4.3.1941 um 10 Uhr.

Danach musste er mit seiner Familie- das waren seine Eltern, seine Schwester Regina, sein Bruder Erwin und die Großmutter-die Heimat Kybati in Litauen verlassen. „Heim ins Reich“ wie man damals sagte, erinnert sich der 86jährige Senior.

Das Schlagwort wurde für die Bemühungen genutzt, ein Großdeutsches Reich zu errichten und dafür deutsche Siedler und Aussiedler wie die Deutsch-Balten zurück in die Grenzen des Reichs zu führen. Konkret wurde dieses Vorhaben spätestens unter dem Einfluss des Hitler-Stalin-Pakts ab 1939. Die praktische Durchführung lag bei der Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi), einer SS-Organisation, die fast ausschließlich von baltendeutschen Umsiedlern geführt wurde. Zwischen 1939 und 1940 war die Organisation der Ansiedlung von Volksdeutschen unter der Losung Heim ins Reich Hauptaufgabe dieses Hauptamtes. Die VoMi siedelte bis 1940 rund eine Million Volksdeutsche vor allem in den annektierten Gebieten an – in den Reichsgauen Wartheland (Posen) und Danzig-Westpreußen (Danzig). Quelle Wikipedia


Die Alternative wäre gewesen auf die Russen zu warten. „Die haben alle Bewohner Richtung Sibirien deportiert“. Und es sollte neuneinhalb Jahre dauern, bis er den Ort fand, an dem er sich neu verwurzelte: Schermbeck.


Kybati hatte schätzungsweise 8000 Einwohner- die Staatsgrenze zu Deutschland war ein kleiner Bach, der den Ort unterteilte und leicht zu überwinden war, wenn die Oma zum Beispiel mal zum Kaffee trinken auf die andere Seite wollte. “Wie Altschermbeck und Schermbeck“, vergleicht Waldemar Derwing die Verhältnisse, wobei zwischen Altschermbeck und Schermbeck ja keine Staatsgrenze liegt.
Offiziell mitnehmen durfte die Familie ein paar Tiere vom elterlichen Hof und wenige Möbel. Das sei alles perfekt organisiert gewesen, doch die Tiere habe man nicht wieder gesehen, genauso wenig wie den Inhalt der Schränke, den die Mutter herinnen verstaut habe, erzählt Waldemar Derwing.
Bei ihrer Ankunft in der Nähe von Danzig wurden die Aussiedler in Baracken untergebracht. Derwing erinnert sich „Wir wurden genauestens untersucht ob wir arisch sind - ich sehe uns noch alle zusammen nackig nebeneinander stehen“.


Aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen fand die Familie im Januar 1942 eine Unterkunft in preußisch Eilau. „Becke 24, Zimmer 6 - da haben wir gewohnt“, so Derwing, der einige Daten noch genau im Kopf hat.
Im Juni 1942 fand die Familie eine eigene Wohnung, der Vater, der nach Aussagen des Seniors wenig politisch engagiert war, musste in den Krieg ziehen. Es ging nach Norwegen. Bruder Erwin musste mit einer TBC ins Sanatorium, die Schwester absolvierte ein Pflichtjahr als Arbeiterin und der junge Waldemar ging wieder in die Schule. In der ersten Zeit habe man vom Krieg nichts mitbekommen, bis das circa 38km entfernte Königsberg bombardiert wurde.
Von der einen Seite kamen die Russen, auf der anderen Seite war die Ostsee. Vor den Toren des Ortes lagen die Soldaten, um den Feind abzuwehren. „Das waren 17/18jährige Jungens die uns retten sollten“, so Derwing. Ein Leutnant habe der Mutter empfohlen zu fliehen „In ein paar Tagen ist hier die Hölle los“ habe dieser gesagt.
„Am 5.2.1945 machte meine Mutter um 11 Uhr das Licht in der Wohnung aus“. Der Vater war im Krieg, der Bruder Erwin arbeitete mittlerweile auf einem Gut in Ostpreußen, die Schwester war ebenso auf einem Gut beschäftigt.
Mutter Derwing machte sich also mit Waldemar und der 80jährigen Großmutter auf den Weg. „Wir schlossen uns einem Treck an, der Richtung Ostsee zog.“ Trotz des Beschusses durch Tiefflieger, schaffte es die Familie bis zur Ostsee und lief mit anderen Flüchtlingen übers circa 8 bis 10km lange Haff in Richtung Kahlberg..


Sein Bruder Erwin und seine Schwester Regina machten sich damals ebenfalls - aber getrennt voneinander- auf den Weg. Das seine Schwester die Flucht überlebt habe, sei ein großes Glück gewesen, denn ihr Treck erlebte einen massiven Beschuss, der für die meisten Menschen den Tod brachte. In Ratzeburg fanden sich die beiden Geschwister dann zufällig wieder.
Derwing kann seinen Marsch über das Eis, der 10 bis 12 Stunden dauerte, wie so vieles andere nicht vergessen. „Wir konnten nur des Nachts laufen, die Soldaten haben den Weg mit Laternen markiert, wir waren dem Beschuss der Tiefflieger ausgesetzt, unterwegs sahen wir viele Tote, kamen an einem eingerichteten Verbandsplatz vorbei und hörten die Menschen vor Schmerzen schreien“.
In Stutthof (in Stutthof gab es von 1939 bis 1945 ein KZ) angekommen, legten die Flüchtlinge eine Pause ein – sie konnten in einem Lager übernachten. Am anderen Morgen wurde der Familie angeboten, die Großmutter doch dort zu lassen, man würde die alten Menschen mit dem Bus nach Danzig transportieren. „Da Oma ziemlich schwach war und nicht mehr gut laufen konnte, waren wir für die Möglichkeit recht dankbar“, erinnert sich Waldemar Derwing. Das Tragische: Die Familie sah die Großmutter nie wieder und hat auch nie erfahren, was mit ihr passiert ist.


Am 7.3.1945 - dem 14. Geburtstag von Waldemar Derwing- ging es dann in Gotenhafen aufs Schiff. Mit 300 Menschen völlig überladen, sollte das Minensuchboot die Menschen in die Freiheit bringen. Unterwegs waren die Flüchtlinge den Gefahren durch feindliche U-Boote und Tiefflieger ausgesetzt. Viele Orte an der Küste wurden zwischendurch angesteuert, bis sie endlich das circa 600km entfernte Rostock erreichten. Hier wurden die Flüchtlinge aus dem Osten privat auf Familien verteilt. „Das sorgte bei diesen nicht für Begeisterung, wir waren alles andere als willkommen“, musste Derwing erfahren. Bei einem Schneider in der Mozartstraße 34 habe die Familie gewohnt, bis es eine Woche später mit dem Zug Richtung Hamburg ging. „Ein Bahnhof war da nicht mehr zu sehen, nur noch Schienen, Hamburg war ja ausgebombt“, erinnert sich Waldemar Derwing.
Am 20.4.1945 kam die Familie in der Hafenstadt Husum an und sollte dort eine neue Heimat finden. Derwing berichtet, dass die Menschenden Flüchtlingen nicht sehr freundlich begegnet sind. Auf jeden Einwohner kamen drei Flüchtlinge.
Die komplette Familie schaffte es, trotz der Kriegswirren wieder zusammen zu finden. „Im Oktober 1945 waren wir wieder vereint“.
Bruder Erwin baute sich ein Leben in Hamburg auf und seine Schwester Regina in der Nähe von Ratzeburg, in einem kleinen Dorf. Dort lebt sie auch heute noch.
Die ersten sechs Jahre habe in der Nähe von Husum bei einem Bauern gewohnt. Waldemar Derwing erinnert sich: “Die Flüchtlinge hatten einen ganz schlechten Ruf und wehe es verliebte sich ein Einheimischer in einen Flüchtlingsmädchen oder umgekehrt, das wurde dann schwierig“.
Waldemar Derwing begann eine Ausbildung im Malerberuf. Er wollte gerne etwas Handwerkliches erlernen.


Derwing bei seinem Besuch in der alten Heimat Anfang der 90er Jahre an der ehemaligen Staatsgrenze

Nach dem erfolgreichen Abschluss, sah er in der Tageszeitung „Lübecker Nahrichten“ eine Anzeige von Walter Beck. „Malergeselle in Dauerstellung gesucht“, hieß es da.
Also packte Waldemar Derwing wieder einmal seinen Koffer und verlies am 15.11.1951 Husum, obwohl er die Gegend in Norddeutschland sehr liebt(e). Seine Mutter erkrankte an Krebs und ging, parallel mit seiner Abfahrt nach Schermbeck, ins Krankenhaus, wo sie zwei Monate später verstarb.
An seine Ankunft in Schermbeck erinnert sich Derwing noch genau: „Ich hab das erste Mal seit ewig langer Zeit wieder Bratkartoffeln und Milchsuppe gegessen“, erzählte er lachend. Er blieb.
Im Jahr 1953 verliebte er sich in Hedwig Püthe, die er am 3.1.1954 heiratete. 10 Jahre lang hat das Paar mit seinen beiden Kindern auf der Mittelstraße gewohnt, bevor das Haus auf der Kilianstraße gebaut wurde. „Hier war damals nur Kartoffelacker“, so Derwing. Das hat sich mittlerweile geändert, denn die Bebauung schritt zügig voran. Heute ist er (Alt)Schermbecker durch und durch und wenn er zürück denkt, sagt er „Ich möchte so etwas nie wieder erleben“.

Text und Fotos Gaby Eggert

 

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