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Von Schermbeck nach Athen und weiter - ein Abenteuer nach dem Abitur

Von Konstantin Spyrou
3.6.2024 Viele junge Menschen entscheiden sich nach dem Abitur für ein Gap-Year: so wie Konstantin Spyrou.  Bereits im Sommer 2022 haben wir über diese Pläne berichtet.
https://schermbeck-grenzenlos.de/index.php/2-uncategorised/19052-der-abiturient-konstantin-spyro-sammelt-in-seinem-gap-year-lebens-erfahrungen

Heute erzählt er uns von den spannenden Erlebnissen in dieser Zeit
Ich habe nach einigen Monaten meinen Weg wieder zurück in die Heimat gefunden und erzähle von den zehn turbulenten, abwechslungsreichen und spannenden Monaten, die hinter mir liegen. Was ist aus meinen großen Plänen geworden und wie blicke ich auf das letzte Jahr zurück?

Wie ich bereits im Sommer 2022 ankündigte, hatte ich mich dazu entschieden, nach dem Abitur erst einmal ein Jahr mit Reisen und Praktika zu verbringen, ein so genanntes „Gap-Year“. Damit wollte ich mich auf meine Studienwahl vorbereiten und die neugewonnene Freiheit nutzen. Ursprünglich war der Plan nach einem griechischen Sprachkurs und einem Praktikum in Athen durch die Hauptstädte Europas zu reisen, dort viele Praktika zu absolvieren und wertvolle Erfahrungen zu sammeln. In Griechenland hatte ich mich bei Parlamentsabgeordneten, mehreren Nicht-Regierungsorganisationen und Schulen beworben, danach wollte ich weiter zur deutschen Botschaft in Paris, zum Europaparlament, oder zum Fernsehsender ARTE.

Doch es kam anders, als geplant…

Während meines Sprachkurses lernte ich die Grundlagen des Neugriechischen und obwohl ich nicht bilingual aufgewachsen bin konnte ich mich doch noch an ein paar Vokabeln meiner Großeltern erinnern und hatte so eine gewisse Starthilfe. Auch das im September folgende Praktikum bei der NGO „Generation 2.0 RED“ verlief wie geplant und ich fand mich schnell in der
Organisation ein. Meine Arbeit mit Migrantinnen hat mir sehr gut gefallen und da ich vor allem als Übersetzer für Französisch eingesetzt wurde konnte ich sogar noch eine weitere Sprache trainieren.
Gleichzeitig entschied ich mich dazu, in der übrigen Zeit als Praktikant in meiner alten Sprachschule („Alexander der Große“) zu verbringen, da ich mit mit dem dortigen Team sehr gut verstand und mit Übersetzungen helfen konnte. Da aber nachwievor ein paar freie Minuten übrig waren wollte ich mich auch in meiner Athener Nachbarschaft Kypseli sozial einzubringen. Der Tipp einer Mitbewohnerin, ich solle doch mal bei der „Khora Social Kitchen“ vorbeikommen, sollte viele Pläne über den Haufen werfen und mein Gap-Year in neue Bahnen leiten. Das wusste ich aber natürlich zu dem Zeitpunkt nicht, also gab ich die Adresse in Google Maps ein und erreichte die Suppenküche nach nur ein paar Minuten Fußweg.

Innerhalb kürzester Zeit wurde ich in die herzliche, internationale Gemeinschaft der „volunteers“, der freiwilligen Helfer, aufgenommen und schon bald verbrachte ich meine gesamte Freizeit damit Essen zu kochen, die netten Menschen kennenzulernen und den Gästen kostenlose warme Mahlzeiten anzubieten.
Der Kontakt mit engagierten und offenen Menschen aus aller Welt war eine ganz neue Erfahrung und Khora wurde für mich mehr als nur ein altes, heruntergekommenes Gebäude voller Essen, Menschen und Musik.
Doch bevor ich mich versah ging mein Flug auch schon wieder zurück nach Hause, wobei mich eine Coronainfektion länger als geplant zuhause hielt. Während dieser Zeit wurde mir klar, dass ich jetzt nicht einfach weiter machen konnte, ich musste zurück nach Athen! Die Stadt in der ich zum ersten Mal auf mich gestellt war, in der ich alleine gewohnt und gearbeitet habe, die Stadt, in der ich neue Freunde gefunden hatte und in der die volunteers von Khora jeden Tag ihre Zeit aufwenden, um Menschen zu helfen. Anstatt nach Paris und Brüssel verschlug es mich also wieder nach Athen, wo ich bis Dezember blieb, um in Vollzeit in der Suppenküche und den anderen Zweigen des Khora Kollektives zu helfen. Ich hatte eine tolle Zeit und viele der Helfenden, aber auch viele der Gäste sind mir sehr ans Herz gewachsen.

Zwei Tage vor Weihnachten ging mein Flug zurück ins kalte, regnerische Deutschland. Ich verbrachte eine schöne Zeit mit Familien und Freunden über die Festtage und natürlich vermisste
ich meine Freunde und die Community in Athen sehr, aber ich wusste, dass ich nicht für immer in Athen bleiben konnte. Nicht nur, weil ich unbedingt mein Gap-Year nutzen wollte, um verschiedene Teile von Europa zu sehen und in vielen Bereichen Erfahrungen zu sammeln, sondern auch, weil ich weiß, dass ich keine Zukunft in Griechenland haben.
Als griechischer Staatsbürger müsste ich einen 12-monatigen Wehrdienst verrichten, der mir nicht nur wegen der Sprachbarriere unmöglich wäre, sondern auch nicht meinen Überzeugungen und Ansichten entspräche. Nach Griechenland kann ich deshalb nur als Tourist, ich kann dort nicht wohnen, arbeiten oder studieren. Zumindest, bis ich 42 bin, und das dauert ja noch ein wenig.
Anstatt dessen ging es für mich nach Frankreich, eine Entscheidung, die, auch wegen mangelnder Alternativen, ein wenig kurzfristig getätigt wurde. Ende Januar flog ich also von Düsseldorf nach Marseille, um dort bei einer australischen Familie als Aupair zu arbeiten. Da die Kinder aber schon 13, 15 und 17 waren, standen für mich nicht Windeln wechseln, sondern Geschichte, Mathe und Deutsch auf dem Plan. Als Nachhilfelehrer und Tutor blieb ich zwei Monate bei dieser Familie, die ich selbst beim besten Willen als sehr chaotisch bezeichnen würde. Meine Zeit dort, sowie die verschiedenen Reisen, die wir zusammen unternahmen, waren überaus anstrengend und kräftezehrend, aber ich bereue trotzdem nicht die Entscheidung, der Familie nach besten Kräften zu helfen. Die Arbeit mit Kindern und Teenagern hat mir auch sehr viel Freude bereite, war abwechslungsreich und hat mich immer wieder aufs Neue gefordert.


Auf diese ereignisreiche Zeit in Frankreich folgte eine weitere Griechenlandreise, in der ich auch andere Teile des Landes erkunden durfte, das orthodoxe Osterfest mit meiner Familie gefeiert habe und natürlich wieder in der Suppenküche in Athen betätigt habe. Mitte Mai begann ein sechswöchiges Praktikum bei der NRZ Lokalredaktion in Wesel, das für mich einen Einblick in den Journalismus darstellte. In dieser Zeit habe ich nicht nur den Kolleginnen und Kollegen über die Schulter geschaut, sondern durfte mich auch selbstständig einbringen, viele Termine selbst übernehmen und Artikel für Print und Online verfassen. Danach folgte eine kurze Sommerpause, natürlich inklusive einer Reise nach Athen, um Freunde und Familie wiederzusehen und mich wieder bei Khora einzubringen. Im September begann mein Studium an der Universität der nordfranzösischen Stadt Lille, der Studiengang heißt LLCER Anglais, was englische Sprach-, Literatur- und Geschichtswissenschaft umfasst. Nach WG-Suche und einer Eingewöhnungsphase starte für mich ein neuer Lebensabschnitt: Das Studentenleben.

Fazit:
Mein Jahr nach dem Abitur hat mir nicht nur viele Teile Europas gezeigt und mich in verschiedene Berufszweige eingeführt, sondern mir auch die Möglichkeit gegeben, mich persönlich
weiterzuentwickeln. Alleine in Athen zu leben, Kinder in Frankreich zu unterrichten, in einer Suppenküche und in einer Redaktion zu arbeiten, hat mich selbständiger und vielleicht auch ein
wenig erwachsener gemacht. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die mir sehr wichtig geworden sind, und mit denen mich eine Freundschaft verbindet, die sich über einen ganzen Kontinent erstreckt. Ich habe Erfahrungen gemacht, die mich geprägt haben und Entscheidungen getroffen, die mein Leben auch langfristig verändert haben, nicht zuletzt die Wahl von Studienfach und Uni. Das wenigste davon war geplant und diese Unklarheit hat starken Stress mit sich gebracht. Trotzdem kann ich jetzt sagen, dass ich keine meiner Entscheidungen bereue und stattdessen dankbar für die vielen unerwarteten Wendungen bin. Es war nicht ein Gap-Year, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber das beste Jahr meines Leben

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